Am Vortag hatte es das übliche Aufplustern gegeben: Die Zustimmung von Mark Zuckerberg, die Anhörung dann doch nicht hinter verschlossenen Türen ablaufen zu lassen, zeige die Bedeutung und auch die Macht der EU, hatten sich mehrere Parlamentarier gefreut; “Druck wirkt” hatte Sven Giegold von den Grünen getwittert.
Druck wirkt! Jetzt ist es offiziell: Das Hearing mit #Zuckerberg wird im Web gestreamt. Antrag von @GreensEP auf Webstreaming unterstützt von 30.000 BürgerInnen auf @Change wurde akzeptiert! Am Dienstag muss der Facebook-Chef im Europaparlament aussagen. Öffentlich! pic.twitter.com/9mEE1Ix9Ka
— Sven Giegold (@sven_giegold) May 21, 2018
Aber der Facebook-Boss hatte da offenbar schon einen cleveren Deal mit Parlamentspräsident Tajani geschlossen: Die Befragung sollte öffentlich sein, nämlich per Livestream übertragen werden, aber dafür nicht im schnöden Frage-und-Antwort-Wechsel (womöglich mit sofortigem Nachbohren…), sondern hübsch getrennt: Erst alle Fragen en bloc, dann Antworten nach eigenem Gusto und a la carte.
Und da war die gute Laune von Sven Giegold logischerweise auch wieder verflogen:
Das ist eine Frechheit! #Zuckerberg hat durchgesetzt, dass alle Fragen der EU-Abgeordneten gesammelt werden, bevor er sie am Ende beantwortet. So kann er unangenehme Frage umgehen. Jetzt verkündet er die Regel sogar selbst. Das Parlament muss die Regeln setzen, nicht Zuckerberg!
— Sven Giegold (@sven_giegold) May 22, 2018
Tja, so schnell kann das gehen. Ein extrem entspannendes Arrangement also für Mark Zuckerberg, der nun einfach aus seinem gut einstudierten Statement-Fundus rezitieren konnte – und dann, da viele der Fraktionschefs die knapp bemessene Zeit für eitle Selbstdarstellung verballert hatten, anstatt auf den Punkt zu kommen – dann blickte der Facebook-Boss einfach ganz trocken auf die Uhr. Time over, der Flieger wartet. Schließlich hatte er ja eh nur auf der Durchreise zum Technologiegipfel in Paris einmal kurz vorbeigeschaut. Und die noch offenen Fragen würden nachträglich schriftlich beantwortet, ganz großes Indianerehrenwort.
Ob das jetzt also wirklich die große Machtdemonstration des Europäischen Parlaments war, das erscheint sehr fraglich. Und angesichts der doch sehr unterschiedlichen Positionen und Interessen der verschiedenen politischen Fraktionen gegenüber Facebook – die waren nämlich durchaus auch atmosphärisch spürbar bei der Anhörung: Dass die Vorsitzenden nun wissen, “dass es keinen Sinn macht, mit diesem Unternehmen zu reden, sondern dass sie zu scharfer Regulierung greifen müssen” – diese Sichtweise von Jan-Philipp Albrecht scheint mir auch reichlich “optimistisch” Die Rechtspopulisten z.B. werden sich trotz ihrer “Zensur”-Vorwürfe an Facebook hüten, ausgerechnet das Medium ernsthaft zu beschädigen, das sie zur Ansprache und Mobilisierung ihrer Klientel so dringend brauchen wie die Luft zum Atmen.
Wie verlogen! Nigel Farage, dessen #Brexit-Kampagne die Intransparenz von #Facebook ausgenutzt hat, fordert nun mehr #Transparenz von #Zuckerberg.
— Sven Giegold (@sven_giegold) May 22, 2018
Noch mal “tja”: Nigel Farage konnte seine Message wenigstens fokussiert rüberbringen – und bekam sogar eine Antwort von Mark Zuckerberg (der ja wie die meisten seiner Silicon-Valley-Kollegen im nicht allzu facettenreichen US-Politspektrum eher im demokratischen als im republikanischen/populistischen/Trump-freundlichen Lager zu verordnen ist…):
Entscheidungen darüber, welche Inhalte erlaubt sind oder wie sie gerankt werden auf Basis der politischen Orientierung zu treffen – das haben wir nie getan, und das werden wir auch nie tun.
Zuckerberg vor EU-Parlamentariern · Dlf Nova
Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 23.05.2018 (Moderation: Till Haase)
Das Desaster hatte sich “ein Stück weit” bereits am Dienstag morgen angekündigt:
Europäisches Parlament: Zuckerberg gegen die EU · Dlf Nova
Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 22.05.2018 (Moderation: Till Haase)